Braugersten mit „Flexi-Malt®“ Qualität erhöhen die Sicherheit der Braugersten- und Malzproduktion in Deutschland
Die in den vergangenen Jahren durch das Berliner Programm empfohlenen Braugersten AVALON und VENTINA, bzw. die im kommenden Februar zur Empfehlung anstehende Braugersten CERVINIA weisen bezüglich der Verarbeitungsqualität zu Malz und Bier einen deutlichen Fortschritt auf. Für diese besondere Qualität wurde der Begriff „Flexi-Malt“ geprägt. Nicht nur Kostenvorteile bei der Verarbeitung hinsichtlich einer deutlichen Einsparung von Energie und Wasser, sondern auch für den Landwirt wird dieser neue Braugerstentyp zukünftig die Sicherheit der Braugerstenproduktion besonders im extensiven Anbau ohne Beregnung erhöhen.
Der Rückgang der Braugerstenanbaufläche gefährdet die Wettbewerbsfähigkeit der Malzindustrie in Deutschland!
In den vergangenen 25 Jahren sank die Anbaufläche der Sommergerste in Deutschland kontinuierlich auf nur 30% (341.000 ha in 2016) der ursprünglich im Jahr 1991 geernteten 1.016.000 ha. Die Nutzung des Züchtungsfortschritts bei Sommerbraugersten in Form eines höheren durchschnittlichen Kornertrages pro ha stagniert zudem während dieses Zeitraumes, da sich der Braugerstenanbau immer mehr auf schwächere Standorte mit extensiveren Produktionsmethoden und niedrigerem Ertragspotential konzentrierte. Die in Deutschland ansässige, weltweit immer noch führende Malzindustrie muss deshalb inzwischen durchschnittlich mehr als ein Drittel ihres Braugerstenbedarfes aus Nachbarländern wie Frankreich, Dänemark, Tschechien oder anderen Ländern importieren. Diese zusätzlichen Transportkosten für den Rohstoffimport mindern ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber konkurrierenden, logistisch günstiger gelegenen internationalen Marktteilnehmern in den Braugerstenexportländern.
Ist der Braugerstenanbau in Deutschland zu risikoreich?
Der pro ha zu erzielende Deckungsbeitrag moderner Braugerstensorten ist gegenüber anderen Kulturen durchaus wettbewerbsfähig. Das Risiko, eine aus qualitativen Gründen gestoßene Braugerste nur noch über den Futtertrog vermarkten zu können, scheuen viele Landwirte. Verstärkt wird dieser Effekt durch die Klimaerwärmung: längere Trockenperioden oder plötzlicher Starkregen erhöhen das Risiko, die von den Mälzern geforderten Qualitäten nicht zu erreichen und zudem womöglich einen geringeren Anteil marktfähiger Braugerste zu erzielen. Durch die Optimierung bestimmter innerer und äußerer Eigenschaften versuchen lokale deutsche Braugerstenzüchter mit neuen Braugerstentypen der Attraktivität des Braugerstenanbaus in Deutschland neue Impulse zu geben.
Stimmen die bisherigen Qualitäts-Anforderungen an eine Braugerste noch?
Bisher zeichnete sich eine hervorragende Braugerstensorte durch ein hohes Ertragspotential aus. Die Kombination aus hoher Standfestigkeit, hoher Siebsortierung bei gleichzeitig guter Resistenz gegen die wichtigsten Krankheiten minimierte das Risiko und die Kosten des Anbaus. Aber hier haben sich in den vergangenen Jahren zusätzliche Anforderungen entwickelt. Die aktuellen, modernen Braugerstensorten können mit mehr Stickstoff gedüngt werden. Nur damit können sie das deutlich höher Ertragspotential gegenüber den alten Sorten voll auszuschöpfen. Diese höhere Stickstoffdüngung ist auch notwendig, um bei optimalen Wachstumsbedingungen und damit sehr hohen Erträgen auch zu verhindern, dass die produzierte Braugerste unter einen Eiweißgehalt von 9,5% fällt. Bei extrem niedrigem Eiweißgehalt kann die Braugerste sonst nur noch als Futtergerste vermarktet werden. Extreme Trockenheit in anderen Jahren birgt ein anderes Risiko: Wassermangel in Verbindung mit einer dann höheren Stickstoffdüngung führt zu Eiweißgehalten über 11,5% und zu Qualitätsabschlägen in der Abrechnung.
„Flexi-Malt“-Braugersten erhöhen die Wirtschaftlichkeit des Braugerstenanbaus
Die Verarbeitung von Braugerste mit Eiweißgehalten über 11,5% zu Malz führt zu Kapazitäts- und Ausbeuteverlusten in der Mälzerei. Das daraus produzierte Malz ist schwieriger (teurer) in die geforderte Spezifikation der Brauindustrie zu bringen. Hier hat die Braugerstenzüchtung reagiert und eine neue Generation moderner „Flexi-Malt“-Braugerstensorten entwickelt, die sowohl dem Landwirt als auch dem Mälzer und Brauer Vorteile bieten:
Vorteile für die Verarbeitungsindustrie (Mälzereien und Brauereien):
- „Flexi-Malt“- Braugersten können auch ohne Zugabe künstlicher Enzyme, die in Deutschland in Gegensatz zum europäischen Ausland durch das 500-jährige Bier-Reinheitsgebot „verboten“ sind, mit weniger Wasser und Energie zu hochwertigem Malz verarbeitet werden.
- „Flexi-Malt“-Braugersten können schneller vermälzt werden und damit die Kapazität von Mälzereien erhöhen.
- „Flexi-Malt“-Braugersten können bei höherem Eiweißgehalt über 11,5% fast ohne Kapazitätsverlust und damit höheren Kosten für die Mälzereien in die von den Brauereien gewünschten Spezifikationen gebracht werden.
- „Flexi-Malt“-Braugersten erfüllen ideal die zukünftigen Forderungen nach einem niedrigeren Energieeinsatz = „Carbon-Foot-Print“ für die Weiterverarbeitung zu Malz und Bier.
Vorteile für den Braugerstenanbauer:
- Weniger Risiko durch „Flexi-Malt“-Braugersten auf den üblichen Braugersten-Grenzstandorten: Gerade hier führen zunehmende Trockenperioden häufig zu Eiweißgehalten über 11,5%. Eine Öffnung der max. Eiweißgehalte auf 12,0 oder 12,5% ohne Qualitätsabschlag würde den weiteren Rückgang der Braugerstenanbaufläche auf diesen Standorten verhindern.
- Neue Möglichkeiten auf bisher kaum für den Braugerstenanbau genutzten Hochertragsstandorten: Das Ausschöpfen des inzwischen deutlich gestiegenen Ertragspotentials moderner „Flexi-Malt“-Braugerstensorten durch eine ertraglich optimierte Stickstoffdüngung. In Frankreich, Skandinavien und Großbritannien wird auch auf Hochertragsstandorten schon wieder zunehmend Sommerbraugerste angebaut mit Erträgen zwischen 8,0 bis zu 10,0 to/ha. Durch den vergleichsweise niedrigeren Betriebsmittel-Einsatz ist dort die Sommerbraugerste sehr wettbewerbsfähig gegenüber Winterfuttergerste oder sogar Stoppelweizen.
- Leichtere Vermarktung von „Flexi-Malt“-Braugersten bei einer Überversorgung des Braugersten-Marktes (ohne Kontraktanbau): Da „Flexi-Malt“-Braugersten sich unproblematischer und effizienter zu Malz verarbeiten lassen als herkömmliche Braugersten, wird diese Ware in der Annahme bevorzugt werden bzw. sich einfacher vermarkten lassen.
Welche „Flexi-Malt“-Braugersten stehen dem Anbauer zur Verfügung?
Von der Braugersten-Gemeinschaft in Deutschland, einem Zusammenschluss der Verarbeitenden Industrie, wissenschaftlicher Braugersten-Institutionen und anderen Teilnehmern der Wertschöpfungskette von der Braugerstenzüchtung bis zum Bier wurde vor ca. 10 Jahren das Berliner Programm gegründet, welches zum Ziel hatte, die Selektion und Entwicklung in Richtung von optimaleren Braugersten voranzutreiben. Für die höchste Qualität mit den oben genannten optimalen Verarbeitungseigenschaften wurde der Begriff „Flexi-Malt“ geprägt. Neben der marktführenden Braugerste AVALON weisen auch die in 2016 vom Berliner Programm empfohlene Braugerste VENTINA und die einzige in Februar 2017 zur Empfehlung anstehende Sorte CERVINIA diese besondere „Flexi-Malt“-Qualität auf.
Mittelständige Züchter müssen sich zunehmend international ausrichten!
Alle diese drei genannten Braugersten-Sorten stammen aus der Züchtung des Familienunternehmens Saatzucht Josef Breun aus Herzogenaurach, welches in diesem Jahr das 111-jährige Bestehen seiner Braugerstenzüchtung feiert. Mit „Flexi-malt“-Sorten stellt die Saatzucht Breun erneut ihre Dominanz und ihre Fachkenntnis bei Züchtung von Braugersten mit hoher Qualität unter Beweis. Im Moment besitzt Breun hier einen kleinen Züchtungsvorsprung, jedoch werden im Laufe der Jahre andere Züchter mit ähnlichen Braugersten-Qualitäten nachziehen. Zudem hat sich der Züchtungsfortschritt durch verfeinerte Techniken bei Braugersten inzwischen so beschleunigt, dass zwischen einer neuen Kreuzung und der Anmeldung als neue Sorte zur amtlichen Wertprüfung neuerdings nur noch 3-4 Jahre notwendig sind. Diese notwendige Beschleunigung des Züchtungsfortschrittes geht aber auch mit einem immer höheren Kostenaufwand der Braugersten-Züchtung einher, dessen Refinanzierung durch einen in den letzten Jahren ansteigenden Nachbau (mit nicht zertifiziertem Saatgut) gerade in Deutschland und damit sinkenden Lizenzeinnahmen immer schwieriger wird. Deshalb hat BREUN wie auch andere internationale Braugerstenzüchter ihre Sortenstrategie längst schon auf andere, größere Braugerstenmärkte in Ausland abgestimmt, wo sich diese Lizenzeinnahmen inzwischen deutlich stabiler entwickeln sind als in Deutschland. Zudem sind in den vergangenen Jahren durch Fusionen und Übernahmen gigantische Brauereikonzerne entstanden, die zunehmend auch eigene Braugerstenzüchtungen aufbauen und neue Qualitätseigenschaften sogar patentieren.
Nach dem „Flexi-Malt“-Konzept und der internationaleren Ausrichtung bedarf es bei der Saatzucht Josef Breun und bei allen mittelständischen Züchtungsunternehmen zukünftig weiterer neuer Ideen, um sich einen kleinen Vorsprung in der Braugersten-Züchtung zu erarbeiten und ihren Aufwand somit durch entsprechende Lizenz-Einnahmen finanziert zu bekommen. Hier kann die Flexibilität eines kleineren, mittelständischen Züchtungsunternehmen manchmal von Vorteil sein, um sich schneller an neue Entwicklungen (wie z.B. Flexi-Malt) anzupassen oder auch um Nischensegmente zu besetzen, die für große Züchtungskonzerne mit ihrer höheren Kostenstruktur uninteressant sind.
Dr. Ernst Loop Saatzucht Josef Breun GmbH & Co.KG, Herzogenaurach